Montag, 27. August 2012

Gastbeitrag von Elsa Rieger: Wie schreibe ich mich durch einen Roman von A-Z?

Da mein Blog im August sein zweijähriges Jubiläum feiert, habe ich mal ein wenig herumgefragt, wer denn bereit dazu wäre, einen Gastbeitrag für die Alltagshirngespinste zu schreiben. Elsa Rieger hat gleich als erste aufgezeigt. Sie ist Autorin mit eigener Homepage und eigenem YouTube-Kanal. Und jetzt viel Spaß mit "Wie schreibe ich mich durch einen Roman von A-Z?"!
 
 
Zuerst muss mal eine Idee da sein, inspiriert von einer Landschaft, einer beeindruckenden Begegnung, vielleicht einem einzigen Satz, gar einem Duft? Alles kann einem ganz plötzlich als eine Idee ins Gehirn schießen. Und nun ist sie da. Was tun damit?

Man umkreist sie vorsichtig, um sie nicht zu verscheuchen, betrachtet sie von allen Seiten, fliegt sie nicht davon, dann schreibe man sie in einem Satz auf. So, jetzt ist es besiegelt, das Samenkorn im Erdreich versenkt.

 

Aus dieser Idee schmiedet man die Prämisse. Was will ich also beweisen in meinem Roman? Dass Unrecht nicht gut gedeiht? Dass Liebe allen Schmerz besiegt? Dass ein hartes Schicksal reif macht, belohnt wird? Dass der Teufel, Dämon, Hexenmeister kein Land gewinnt, wenn man nur sich selbst treu bleibt? Nun habe ich eine Prämisse, die ich beweisen werde im Laufe der Geschichte. Was nun? Idee steht festgeschrieben die Prämisse ist formuliert. Wer nun beweist, was ich als Autorin behaupte? Richtig! Das Personal! Wie könnte der Charakter denn geformt sein, der in der Lage ist, diese Heldenreise zu bewältigen, den Hindernissen zu trotzen, zu einem guten Ende zu kommen? oder soll es vielleicht übel ausgehen? Das hängt nun von der Figurenentwicklung ab. Und von den Figuren hängt der genaue Inhalt ab. Ich entwickle meine Protagonisten, Antagonisten, hilfreiche oder feindliche Nebenfiguren (manche fliegen später wieder raus), aber zuerst brauch ich die Darsteller. Ich bastle mir Steckbriefe, in denen die Stärken, Schwächen, das Aussehen, die Neigungen usw. beschrieben sind. Ha, mein Personal ist da!

 

Und was sollen die jetzt bitte machen? Na die Geschichte vorantreiben, natürlich! Dazu brauche ich aber erst einen Inhalt, den Plot. Aufgrund der Kenntnisse meiner Figuren, der Idee, der Prämisse, baue ich mir ein Exposee, in dem ich die Geschichte auf wenigen Seiten ausarbeite.

Aus diesem Entwurf machen wir eine Story-Outline, was heißt, ich umreiße den Fortgang der Geschichte, indem ich jedem Kapitel 1 Satz schenke, dann weiß ich später, was ich dort ausformulieren muss, um den roten Faden nicht zu verlieren, andernfalls kann ein Autor durchaus umkommen in seinem Roman, der sich als undurchdringlicher Dschungel erweist.

Nach der Outline lege ich los und schreibe Kapitel für Kapitel aus. Wenn mein Personal ausschweift, plötzlich eigene Wege gehen möchte, dann darf es das durchaus für eine Weile tun, schließlich soll ja keine 10 Seiten Erzählung entstehen, sondern ein satter Roman! Aber nach einer Weile sollte man seine Leute wieder sanft zum Ursprung zurückholen und sich an seine eigenen Vorgaben halten. Um jetzt einen ordentlichen Text zuwege zu bringen, ist es ganz gut, sich an das 3-Akte-Prinzip zu halten, das so geht:

 

1. Akt

Einführung der Hauptfigur und deren ganz normalen Wahnsinn, sprich, wie er im Leben dasteht. Sehr schnell kommt der „Call“, der Ruf, der sein Leben auf den Kopf stellen soll, denn ohne Änderung im Leben, kein Roman, keine Figur, keine Prämisse, keine Idee. Plopp, Seifenblase zerplatzt. Kein halbwegs vernünftiger Mensch hat es gern, wenn plötzlich etwas zerrt an ihm, eben der „Call“, und ihn zwingt, etwas anders als bisher zu machen. Daher wird die Figur zunächst versuchen, diesem Ruf auszuweichen, so tun, als höre er gar nicht, dass da was „hallohooo“ schreit, sich panzern dagegen. Damit kämpft der Protagonist während des 1. Aktes, an dessen Ende der 1. Wendpunkt (Plotpoint) steht, er ergibt sich dem Ruf und macht sich auf den Weg.

 

2. Akt

Der 2. Akt sollte zirka doppelt so lang wie der 1. Akt sein, da packt man auch Nebenschauplätze rein, Subplots, die sich mit dem Hauptplot vermengen (natürlich alles mit Sinn und Verstand, es muss schon alles zusammenpassen und einen Grund haben). Während des 2. Aktes bloß keine Heldenschonung betreiben, gib ihm/ihr kalt-warm, lasse ihn von einer Herausforderung, einem Konflikt in den nächsten stürzen, bis er am Ende dieses Aktes ein Häuflein Elend in der absoluten Krise steckt. Nichts geht mehr, der Leser denkt, der Kerl schafft es niemals, da rauszukommen. Also Ende 2. Akt 2. Wendepunkt.

 

3. Akt

Der beginnt in dieser Krise des Helden. Und wenn der Typ nun Mumm in den Knochen hat, mobilisiert er seine letzten Kraftreserven, steht auf und stellt sich! nun hat der Autor es bald ausgestanden, denn der 3. Akt sollte etwa so lang sein wie Akt 1. Formel: 1+3=2

So hat man eine feine, vom Leser natürlich nicht erkennbare Symmetrie in seinem Werk.

In diesem Akt wird alles aufgelöst. Zum Guten oder zum Bösen, je nachdem, was erzählt werden will. Es folgt der „Showdown“, was heißt, der Kampf der Giganten, der durchaus aus ein letzter Konflikt zwischen Liebenden sein kann und Entscheidungen werden getroffen.

Nun gibt es noch den Nachschlag oder auch „Kiss off“ genannt, indem der Leser unseren Helden entweder in den Sonnenuntergang reiten sieht oder sein Begräbnis schluchzend miterlebt. Wir schreiben ENDE darunter und sind fürs Erste fertig. Lehnen uns zurück und schnaufen durch.        

 

Jetzt heißt es warten warten warten! Nicht gleich überarbeiten! Distanz schaffen, bis das Auge wieder klar sieht, dann kann man sich an die Überarbeitung setzten

 

Viel Glück für deinen Roman!

 

Elsa Rieger

3 Kommentare:

  1. Toll geschrieben und sehr inspirierend! Wirklich! Danke

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  2. Das ganze liest sich so ein bisschen wie die Monty Python Nummer, in der John Cleese auf die Frage, wie er den Kilimandscharo besteigen will, so antwortet:

    "The A23s through Purleys down on the main roads near Purbrights avoiding Leatherheads and then taking the A231s entering Rottingdeans from the North. From Rottingdeans we go through Africa to Nairobis. We take the South road out of Nairobis for about twelve miles and then ask."

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