Montag, 9. Dezember 2013

Leitfaden für Dauerempörte

Sie wollten sich schon immer einmal in die erste Reihe stellen, wenn über irgendjemanden ein Shitstorm hereinbricht? Leider fehlte ihnen bislang der Mut, weil Sie nicht wussten, wie sie dabei vorgehen sollen? Dann haben Sie Glück: Dieser Leitfaden wird ihnen dabei helfen, sich in den Turbulenzen, die auf Sie zukommen werden, zurecht zu finden.

1. Warten Sie auf die passende Gelegenheit
Leider ist es heute immer noch nicht möglich, einen Shitstorm nach Lust und Laune loszutreten. Man muss schon noch darauf warten, dass die andere Seite einen Fehler macht. Nehmen wir als Beispiel die Band Knorkator. Diese musste unlängst aufgrund eines politisch zugegebenermaßen absolut nicht korrekten Witzes einen Sturm der Aufregung über sich ergehen lassen.

2. Seien Sie lauter als ihr Gegenüber!
Die zweite Regel ist besonders wichtig: Sie müssen sich unbedingt Gehör verschaffen. Schließlich macht es keinen Spaß, auf der Shitstormwelle mitzureiten, wenn man dabei unbemerkt untergeht. Eine beliebte Taktik ist es, sein Gegenüber dabei mit allem möglichen Dreck zu bewerfen. Irgendwas wird schon kleben bleiben. Außerdem können sie hinterher immer sagen, dass es ja die anderen waren, die angefangen haben.
Im Fall von Knorkator bedeutet dies, dass sie - am besten gemeinsam mit ein paar Gleichgesinnten - die Facebookseite der Band mit allerlei unreflektierten Vorwürfen zuspammen. Machen Sie sich dabei bloß keine Gedanken darüber, ob Sie vielleicht unrecht haben könnten! Solche Bedenken mindern nur den Spaß an der Sache.

3. Jedes Gegenargument der anderen ist ein Beweis dafür, dass Sie recht haben!
Diese Regel ist ein wenig komplizierter zu erklären. Haben Sie schon einmal mit einem Verschwörungstheoretiker diskutiert? Ist ihnen dabei vielleicht aufgefallen, wie er oder sie jedes Argument gegen die angenommene Verschwörung so lange dreht und wendet, bis es in die Verschwörungstheorie passt? Wenn ja, dann können Sie sich glücklich schätzen, denn genau diese Taktik dürfen Sie jetzt auch anwenden. Wenn ihnen also ein angeblicher Rassist sagt, dass er keiner sei und er einige Freunde mit Migrationshintergrund habe, dann halten Sie ihm sofort entgegen, dass das eine sehr beliebte Ausrede von allen Rassisten sei. Damit sind alle Rechtfertigungsversuche natürlich sofort gekontert. Ob derjenige vielleicht die Wahrheit sagt muss Sie dabei nicht kümmern.

4. Seien Sie belehrend!
Schrecken Sie nicht davor zurück, andere zu belehren, selbst wenn es sich dabei um Angehörige der von ihnen gerade so leidenschaftlich verteidigten Gruppe handelt. Schließlich muss man den Menschen oft genug darüber in Kenntnis setzen, worüber sie sich jetzt gerade aufregen müssen. Heben Sie dabei ruhig spielerisch den Zeigefinger. Selbst wenn die von ihnen so freundlich informierten Menschen nicht auf ihre Ausführungen eingehen oder sogar ablehnend reagieren sollten, darf Sie das nicht aus der Fassung bringen. Vielleicht können sich die Angesprochenen einfach nicht selbst verteidigen. Aber keine Angst, dafür haben die ja sie.

5. Viel Feind, viel Ehr!
Es kann passieren, dass Sie mit ihrer Meinung in der Minderheit sind. Davon dürfen Sie sich aber keinesfalls beirren lassen. Es kann schließlich nicht sein, dass Sie sich irren. Das heißt im Umkehrschluss natürlich, dass alle, die ihnen gerade erklären möchten, wo Sie angeblich falsch liegen, zur "dunklen Seite der Macht" gehören. Selbstverständlich müssen auch diese bis aufs Blut bekämpft werden.

Wenn Sie diese Tipps beherzigen, sollte einem anständigen Shitstorm nichts im Wege stehen. 

(Kurze Erklärung: Dieser Artikel ist eine satirische Reaktion auf den Text Eine knorke Anleitung für empörte Betroffenheit. von Ali Himpenmacher. Herr Himpenmacher, wie wäre es, wenn Sie beim nächsten Mal zwei Minuten recherchieren würden, ob es sich bei den von ihnen im Text angesprochenen Personen wirklich um Rassisten handelt? Soviel Sorgfalt sollte man bei solchen Anschuldigungen schon erwarten, bevor man in den verbalen Krieg zieht. Als ehemaliger Lehrer kann ich dazu nur noch folgendes sagen: "Setzen, Himpenmacher. Nicht Genügend!"
Nur damit mich hier niemand falsch versteht: Rassismus ist ein ernstes Thema. Hier echauffieren sich die Leute aber - wie es im Internet immer wieder passiert - über etwas, das man nicht einmal als Randerscheinung des Themas wahrnehmen würde, wenn nicht manche Berufsempörte das Thema extra aufbauschen würden. So etwas ist übrigens auch bei echten Rassisten eine gern angewendete Ablenkungsstrategie, wenn sie Teile von Geschichten über fremde Kulturen aus dem Kontext reißen und diese dann plakativ anprangern. Das macht ihr hier gerade genauso mit Knorkator, wenn ihr dieses eine Bild hernehmt [das ich im übrigen auch nicht gut finde] und dann den Stab über die Band brecht).

18 Kommentare:

  1. Oh je, noch jemand, der nichts verstanden. Ich hoffe sehr, dass du nicht als Lehrer gearbeitet hast.

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    1. Doch das habe ich. Und verstanden habe ich die Aufregung sehr gut. Sie geht nur absolut ins Leere, weil sie etwas bekämpft, das man mit viel gutem Willen maximal als Randerscheinung des Rassismus bezeichnen knnte. Die echten Rassisten reiben sich gerade die Hände, weil ihr alle euren Kampfgeist und eure guten Absichten mit solchen Kleingkeiten verschwendet.

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    3. @Anonym: Habe gerade das Argument gesucht: nichts gefunden.

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  2. Sehr geehrter Herr Seelhofer, Satire hin oder her, mit der Nutzungsanweisung für Ihren Text demonstrieren Sie m.E. exakt, wie genau im Grunde Herrn Himpenmachers 'Leitfaden' (der im Übrigen auch satirisch ist) gebaut ist.

    Denn, Sie glauben, als nicht negativ von Rassismus betroffener Mensch, entscheiden zu dürfen, wann es "ernst" ist und wann nicht. Aus Ihrer (relativ sicheren) Position heraus qualifizieren bzw. disqualifizieren Sie den Wert einer Empörung oder Diskussion.

    Und so lange das so ist, daß nicht negativ von jeglicher Diskriminierung betroffene Menschen nicht lesen, nicht zuhören wollen, wenn sich negativ Betroffene zu Wort melden, so lange werden die Diskussionen scheitern, die 'shitstorms' entstehen, eine Begegnung unmöglich.

    Beste Grüße,
    Atif Hussein

    http://atifhussein.wordpress.com/

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    1. Sehr geehrter Herr Hussein,

      vielen Dank für Ihren Beitrag. Mir ist klar, dass ich hier aus einer Position heraus argumentiere, die "relativ gesichert" ist, da ich als weißer Mann Mitte Dreißig noch nie ein Opfer von Rassismus geworden bin.
      Mir lag nichts ferner, als die Empörung über Rassismus an sich zu disqualifizieren. Ich bin "nur" als jemand, der mit der Musik der hier angesprochenen Band Knorkator vertraut ist, der Meinung, dass die Reaktion hier ein wenig unverhältnismäßig ausgefallen ist.
      Ich will lesen und zuhören, wenn negativ Betroffene sich zu Wort melden. Ich bin nur jemand, der auch bei grundsätzlich richtigen Anliegen darauf hinweist, wenn in seinen Augen etwas in die falsche RIchtung geht. Sollte ich mich geirrt haben, lasse ich mich auch gerne berichtigen.

      Beste Grüße,
      Udo Seelhofer

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    2. @atifhussein: "Denn, Sie glauben, als nicht negativ von Rassismus betroffener Mensch, entscheiden zu dürfen, wann es "ernst" ist und wann nicht." Das ist eine unsachliche ad-hominem-Attacke, die man zudem durchaus ebenfalls rassistisch ausdeuten kann. Und nun?

      Anderer Versuch: Nicht jeder, der die israelische Siedlungspolitik kritisiert, will das jüdische Volk vernichten. Genauso wenig ist die Wut auf islamistische Attacken islamfeindlich. Ebenso ist Kritik an Religionen nicht Unterdrückung der freien Religionsausübung. Und hier ist eben die Kritik an einer überzogenen Reaktion auf die Cover-Gestaltung dieser Band nicht rassistisch.

      Ich halte es tatsächlich für wichtig, auf dem Boden zu bleiben, wie man so sagt. Die Gestaltung des Covers wurde von einer Freundin der Band gemacht, die selbst dunkel ist. Darf sie das nicht, weil Sie die Gefühle der "Berufsbetroffenen" verletzt? Sie kann sich (sie läuft auf dem Cover vorweg) darstellen, wie sie will, oder?

      Auf einer Abi-Abschluss-Veranstaltung, die ich besuchte, saß hinter mir ein ca. 17-Jähriger sehr dunklen Hauttyps, der mit einem Mädchen auf ihrem Handy Fotos betrachtete. Dann sagte er plötzlich: "Hattest Du da den Blitz nicht an? Ach so: das bin ja ich!" Darf er das nicht, und hätte ich betroffen sein müssen, ihn vielleicht sogar belehren, statt mich gemeinsam mit anderen lachend zu ihm zu wenden?

      Warum nennen sich Farbige untereinander "Nigger" etc.?

      Es ist irgendwie bequem, wie ich finde, die Deutungshoheit zu beanspruchen und die Betroffenheit-Pflicht der Anderen beliebig festlegen zu dürfen.

      Und bevor sie jetzt mir vorwerfen, ich sei nicht Opfer von Rassismus: ich war mal Zielobjekt antijudaistischer Verbal-Attacken aufgrund meines Namens, ohne tatsächlich Jude zu sein, was aber wirklich keine Rolle spielt (ich habe das dann auch tatsächlich nicht richtig gestellt). Meine Meinung war auch vor diesem Ereignis und ist auch heute, dass Rassismus keinen Platz haben darf. Ich habe gerade kürzlich ein Strafverfahren mit in Gang gesetzt, um rassistischen Umtrieben im Netz zu begegnen. Mir ist das durchaus ernst. Aber das hier ist nach Betrachtung der Sachlage und Lesen der Band-Erklärung tatsächlich ein Shitstorm, der der Auseinandersetzung mit dem Rassismus nicht hilft.

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    5. EDIT wegen Interpunktion:

      Ich war gerade auf der HP von @atifhussein: er scheint sich mit der Antwort nicht auseinandersetzen zu wollen sondern bevorzugt es, weitere Beispiele aufzulisten, die seinen Ärger unterstützen sollen. Unter anderem missversteht er Wallraff, möglicherweise absichtlich, falsch, der sich mal für seine Reportage als "Ali" verkleidete. Dass auch hier auf Deine Antwort nicht reagiert wird, halte ich nach jener Lektüre dann für bezeichnend.

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    6. Ich auch. Das ist schade, denn an einem ernsthaften Dialog zu dem Thema hätte ich durchaus Interesse gehabt.

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    7. Ist auch ein viel zu wichtiges Thema, um es mit Totschlagargumenten ("Du bist nicht betroffen also schweige!") zu führen. Aber offenbar besteht nur ein Interesse an Belehrung, nicht an echter Auseinandersetzung.

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  3. @Udo: Bist Du der auf dem Afrika-Blog mehrfach gelöschte Udo? Die Zahl der Löschungen der Wortbeiträge, die ihm nicht gefallen, fällt schon in´s Auge.

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    1. Ja, das bin ich. Die Diskussion, die ich anschließend auf Twitter mit ihm hatte, war übrigens auch besonders toll: Erst hat er mir erklärt, dass er meine Beiträge gelöscht hat, weil der erste nur Linkspam war (ich hatte nur einen Link zu diesem Artikel gepostet). Den zweiten Kommentar hat er gelöscht, weil ich die Kritik an Knorkator delegitimiert hätte. Und mitdiskutieren dürfe ich erst, wenn ich anerkennen würde, dass die Kritik an Knorkator legitim wäre (was dann noch daran eine Diskussion sein soll habe ich leider vergessen zu fragen) Ich habe ihn dann via Twitter mehrfach gefragt, ob es denn keine legitime Meinung sei, zu sagen, dass die Kritik an Knorkator nicht legitim wäre. Er hat mir nie klar darauf geantwortet. Als ich aber nicht locker ließ, hat er irgendwann gesagt, ich solle die "scheiß Ablenkungsmanöver" lassen, außerdem würden wir uns nur im Kreis drehen und dann hat ermich geblockt und ich ihn auch. Bei der ganzen Diskussion auf Twitter gab es genau einen einzigen Menschen gegeben, der mir zugestanden hat kein Rassist zu sein, obwohl er eine andere Meinung vertritt (dieser hat mir aber trotzdem gesagt, dass ich die Macht solcher Symbole unterschätzen würde) und die ISD (http://www.isdonline.de) hat mir "empfohlen", ich möge meine schwachen Artikel doch bitte löschen. Und natürlich dürfe ich mir bloß nicht die Deutungshoheit darüber anmaßen, was Rassismus wäre, denn schließlich bin ich ja nicht direkt davon betroffen und dürfe deshalb nur mit bedeutungsschwangerem Blick nicken, wenn einer von denen "Rassismus!!" schreit oder so. Da ich mir das so nicht bieten lassen wollte (obwohl ich sonst kein Problem damit habe, auf Dinge hingewiesen zu werden, die mir sonst nicht aufgefallen, wenn du verstehst, was ich meine), habe ich auf Twitter nun drei bis vier neue "Spezialfreunde" (ausgenommen derjenige, der gesagt hat, ich wäre KEIN Rassist) und es tut mir ehrlich gesagt kein Stück leid.

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    2. Das ist das Bequeme an argumentativen Keulen: sie funktionieren als Totschlagargumte ganz gut. Nur Betroffene dürfen sagen, was Rassismus ist, nicht Betroffene dürfen nur zustimmen. Wer nicht betroffen ist, das sagen einem die Betroffenen dann schon. Und dass man dann Rassist ist, wenn man nicht zustimmt.

      Der Afrika-Blog-Betreiber ist mit seiner kruden Logik ja auch bei Torsten aufgefallen. Scheint ein tief menschliches Problem zu sein, dass man sich in einen gerechten Zorn hineindefiniert, dem nicht widersprochen werden darf. Alice-schwarzeresque.

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    3. Viel erschreckender finde ich, dass seine krude Logik offenbar von gar nicht wenigen Leuten geteilt wird.

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    4. Oh ja! Ich habe gerade auf t-online ein paar Kommentare zu Klitschkos Gürtel-Rückgabe wegen seines politischen Engagements gelesen: Man fasst es nicht, wie krude wie viele Menschen denken und das ausbreiten. Wie macht man das? Denkt man erst mal vernünftig nach und sagt sich dann, jetzt schreibe ich den abwegigsten Mist?

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  4. Weil hier ein schöner Platz dafür ist, eine kleine Anekdote, die lose zum Thema passt (und auch zum anderen Artikel Wien betreffend):

    Mein Neffe ist im Kindergartenalter, strohblond und immer lustig. Sein bester Freund im Kindergarten heißt Hamid und ist tiefdunkel. Die stecken immer zusammen, wenn man einen der beiden finden will, ist der immer beim anderen. Die Erzieherinnen nennen das Duo "Miami Vice". :-)

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