Heute gibt es mal wieder einen Gastkommentar, über den ich mich sehr freue. Der Journalist und Historiker Wolfgang Schwerdt erzählt darin, wie sein Buch "Rotbartsaga: Die Abenteuer des legendären Schiffskaters. Teil 1: Das Vermächtnis des Kapitäns Carl Carlszoon" entstand.
Als der legendäre rote Kater unter anderem auf den Schiffen
der Vereinigten Ostindischen Kompagnien im 17. Jahrhundert über die
Weltmeere segelte und neue, unbekannte Küsten und Länder entdeckte,
da gab es natürlich noch keine Reiterhöfe. Jedenfalls nicht solche,
wie der, auf dem ich für mehrere Jahre für die alltäglichen
Hofarbeiten und das kreative Unterhaltungsprogramm für die
Ferienkinder verantwortlich zeichnete. Natürlich gab es auf dem Hof
auch Katzen. Die alte Glückskatze Garfield beispielsweise, die schon
immer auf dem Hof war. Oder die drei aus dem Tierheim, die die feline
grande dame bei der Nagerjagd unterstützen sollten.
Keines der Katzentiere war auch nur ansatzweise rot oder hatte
etwas, das an einen stattlichen Bart erinnerte. Auch die Fellnasen,
die versuchten, in das Revier der vier Höflinge einzudringen und
damit regelmäßig lautstarke und langanhaltende Brumm- und
Singsessions auslösten, hätten niemals einem Rotbart Modell stehen
können. Und doch war es ausgerechnet hier, wo ich die ersten
Kurzgeschichten über Rotbart verfasst und den Ferienkindern in
gemütlicher Runde vorgelesen hatte. Dass nach jahrelanger
Spezialisierung auf kulturgeschichtliche Drachenforschung und
Drachenfantasy nun plötzlich auch Katzen in den Fokus meines
literarischen Schaffens gelangten, ist natürlich dem engen
Zusammenleben mit dieser wirklich faszinierenden und vor allem
anpassungsfähigen Spezies zu verdanken. Zwar hätten auf einem
Reiterhof Pferdegeschichten möglicherweise ein wenig näher gelegen.
Eine Verbindung zwischen Pferden und Seefahrt herzustellen – einem
Thema mit dem ich mich seit meiner Kindheit leidenschaftlich befasse
-, erschien mir jedoch wesentlich problematischer, als über
Schiffskatzen zu schreiben. Die ersten Katzengeschichten – eher
Fabeln – handelten jedoch tatsächlich von stinknormalen Hofkatzen
und sind als Büchlein „Mit Katzenaugen. Träumkatzen und der wilde
Kater“
http://www.amazon.de/Mit-Katzenaugen-Träumkatzen-Wilde-Kater/dp/1479108138/
veröffentlicht.
Jahrelange Vorarbeiten
In der allerersten Kurzgeschichte (ca. 2003) über den
Schiffskater war Rotbart ein ziemlich demoliertes Wesen, ein
Vorderbein war amputiert, ein Auge fehlte ihm und er war von
zahlreichen Narben übersät. Und dann verpasste ihm ein junger,
ehrgeiziger Spund im Kreise seiner gestandenen KollegInnen auch noch
einen Hieb, indem er den bereits damals legendären Schiffskater als
„altes Wrack“ bezeichnete, den niemand mehr an Bord haben wolle.
Mit Hilfe seiner jungen Kollegin Graulocke erholte sich der mächtige
Kater wieder von dieser tiefen seelischen Verletzung und er setzte
nicht nur seine Schiffskaterkarriere mit neuen legendären Abenteuern
fort, sondern auch zahlreiche Nachkommen in die maritime Welt. Mit
dieser Geschichte war mir mein fiktiver Kater so ans Herz gewachsen,
dass ich etwa 2011 beschloss, Rotbart zum Protagonisten eines
mehrbändigen Buchprojektes zu machen. Hintergrund waren die
Recherchen zu Schiffskatzen der vergangenen Jahrhunderte, die ich im
Rahmen meiner Bücher „Forscher Katzen und Kanonen. Über Leben und
Arbeit von Forschungsreisenden im 18. und 19. Jahrhundert “ und
„Die Schwarzbärflotte: Wahre Geschichten über seefahrende Katzen“
angestellt hatte. Natürlich war Rotbart auch einmal jung, ansehnlich
und verspielt. Und so beginnt mein Protagonist seine literarische
Karriere im 17. Jahrhundert als etwa eineinhalbjähriger Jungspund,
der diverse Lektionen zu lernen hat, bevor er als gestandener aber
eben gezeichneter Schiffskater zur lebenden Legende geworden ist.
Erlebnisreise in die Vergangenheit und die Welt der Katzen
Auch bei den maritimen Katzenromanen lege ich als Journalist und
Historiker größten Wert auf die genaue Hintergrundrecherche, nicht
nur, wenn es um geschichtliche Ereignisse und Zusammenhänge geht.
Und während ich an den kleinen und großen Abenteuern meiner felinen
Hauptfiguren feile, lenken mich so profane Fragen wie „seit wann
gab es eigentlich die bekannten holländischen Tonpfeifen“ oft
tagelang vom eigentlichen Schreiben ab. Das Ergebnis: Die fiktiven
Katzentiere entwickeln während meiner Recherchen, die so wichtig für
die historisch korrekten Szenerien sind, ein gewisses Eigenleben. Und
wenn ich von meinen Ausflügen in die historischen Archive, beladen
mit bedeutenden Informationen, zu meinen literarischen Schützlingen
zurückkehre, haben die gelegentlich auf anderen Schiffen angeheuert,
neue Bekanntschaften gemacht oder sind in fast ausweglose Situationen
geraten, aus denen herauszukommen weniger historische Kenntnisse,
sondern eher ein gesunder Katzenverstand vonnöten sind. Natürlich
müssen die historischen Bilder und Technologien stimmen, aber
wenigstens genauso wichtig, ist das Beobachten von Katzen. Das hat
mir auch – unter anderem am Beispiel der Ataxiekatzen - gezeigt,
dass der Begriff Handicap ein sehr menschlicher ist. Dass Rotbart
auch nach dem Verlust eines Beines ein vollwertiger Schiffskater
bleibt, entspringt nicht meiner pädagogisch wertvollen Phantasie,
sondern der kätzischen Realität im Umgang mit dem, was wir als
Behinderung bezeichnen. Für mich ist das Rotbartsaga-Projekt eine
vielschichtige und aufregende Forschungsreise in die Geschichte, zu
fremden Kulturen und in die Tierwelt, die mir mit Hilfe meines
professionellen Autoreninstrumentariums ständig neue Einsichten und
Erkenntnisse bringt. Meine Intention ist es, ein wenig davon an den
Leser weiterzugeben.
Das Abenteuer des Buchmachens
Jeder Autor sucht einen Verlag für sein Buch, zumindest ist das
die gängige Meinung. Ich hingegen habe mich dazu entschlossen, statt
meine Energie und Mittel für die Suche eines (geeigneten!) Verlages
zu verschwenden, mich von vornherein an meine Leser zu wenden.
Natürlich bin ich lange genug im Geschäft, um zu wissen, worauf ich
mich damit einlasse. Publikationen wie „Die Drachenwächterin“
oder meine Bücher in der Reihe „Kleine Kulturgeschichten“ im
Vergangenheitsverlag haben mir den Einblick in die Verlagsarbeit
vermittelt und gleichzeitig die wirtschaftlichen, gestalterischen und
literarischen Grenzen aufgezeigt, die für den Autoren damit
verbunden sind. Durch meine Publikationen als Selfpublisher habe ich
auch diese Seite des Literaturmarktes kennengelernt. Fazit: Jedes
Buchprojekt braucht seinen passenden Rahmen. Das kann im Einzelfall
ein Verlag aber eben auch –entsprechende Kooperationspartner und
Kompetenzen vorausgesetzt – die Eigenveröffentlichung sein. Im
Falle der Rotbartsaga ist derzeit zweifellos das Selfpublishing der
bessere Rahmen. Denn es war mein Ziel, nicht nur ein Manuskript
abzuliefern und seine Verwertung gegen eine marginale
Erfolgsbeteiligung in fremde Hände zu geben, sondern den gesamten
Publikationsprozess, angefangen vom Lektorat, über das Layout, die
Gestaltung und Illustration, bis hin zum Marketing in meinem Sinne
umzusetzen und zu kontrollieren.
Auch als Schriftsteller einfach mal andersherum denken
Nach jahrzehntelanger Publikationserfahrung als Journalist und
Buchautor war es für mich – auch angesichts der neuen
technologischen Möglichkeiten, die sich beileibe nicht in den immer
angeführten E-Books erschöpfen - generell an der Zeit, ein paar
Dinge neu oder wenigstens anders zu denken. Es ist heute auch im
Verlagsgeschäft üblich (und für ein Unternehmen sicherlich
betriebswirtschaftlich nicht unklug) Literatur vom Markt her zu
denken. Was verkauft sich, was ist gerade in? Wie muss das Produkt,
wie müssen Autorenverträge gestaltet sein, um möglichst viel
Umsatz und Gewinn zu generieren? Wie lässt sich der Vertrieb
automatisieren, strukturieren und standardisieren? Und so weiter und
so fort. Diese Denke haben sich inzwischen auch viele Autoren zu
Eigen gemacht und sehen ihre Aufgabe darin, möglichst das zu
schreiben, was Verlage aus Marketinggesichtspunkten vorgeben, den
sogenannten Mainstream. Davor habe ich großen Respekt, denn die
Produktion erfolgreicher Mainstreamliteratur erfordert ein hohes Maß
an speziellen handwerklichen Fähigkeiten und sicherlich auch
persönlichen Dispositionen, die mir vollkommen abgehen.
Ich denke meine Autorenarbeit tatsächlich vom Buch, vom Inhalt
aus. So zum Beispiel: Was und worüber möchte ich schreiben? Welche
literarische Form, welcher Stil liegt mir besonders? Wie muss ein
Buch gestaltet, ausgestattet sein, um den Inhalt optimal zu
transportieren. Erst im zweiten Schritt kommt der Markt ins Spiel:
Wer könnten meine Leser sein? Ist meine Zielgruppe ausreichend groß
um auch einen wirtschaftlichen Erfolg möglich zu machen? Welche
Zugeständnisse muss, kann ich an die Ökonomie und an den
Publikumsgeschmack machen, ohne meine Intentionen in Frage zu
stellen? Gibt es zum traditionellen Vertrieb Alternativen um speziell
meine Leserschaft zu erreichen?
Das Ergebnis ist ohne Zweifel ein sehr persönliches Produkt, das
aber, wie die Rotbartsaga zeigt, auch dann wirtschaftlich erfolgreich
sein kann, wenn die Gewinnmaximierung und Bedienen eines
Massenmarktes nicht an erster Stelle steht. Ein
betriebswirtschaftlicher Hintergrund des Autors ist dabei allerdings
nicht zwingend ein Nachteil.
Weitere Infos gibt es auf Rotbartsaga.com. Die Rezension zum ersten Teil der Buchreihe gibt es hier genau morgen in einer Woche, also seid gespannt!
Edit: Etwas verspätet, ist das Review nun endlich da: Das Vermächtnis des Kapitäns Carl Carlszoon. Viel Spaß beim Lesen!
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