Mittwoch, 11. Dezember 2013

Mit der Wut im Bauch

Diesen Beitrag schreibe ich mit einer Menge Wut im Bauch. Deshalb gibt es hier erst einmal eine kleine Vorwarnung: Es könnte sein, dass ihr hier den einen oder anderen Kraftausdruck zu lesen bekommt.

Ich bin via Facebook auf folgenden Artikel von goldmarie gestoßen: Der Vorname oder das antisemitische Wien. Darin beschreibt goldmarie ihre Erfahrungen, die sie sammeln musste, weil manchen Drecksnazis  netten alten Menschen der Vorname ihres Sohnes nicht gefällt. Dieser lautet nämlich Jacob. Das sei ein Judenname musste sie sich schon öfters anhören, genauso wie Ausdrücke wie "Judengesindel", etc... (dass goldmarie und ihr Sohn keine Juden sind, sondern sie einfach nur den Namen mag, tut hier eigentlich nichts zur Sache und sei nur kurz am Rande erwähnt).

Wenn ich so etwas lese, bin ich beschämt und erschüttert darüber, dass es solche Menschen immer noch gibt. Vor allem packt mich aber der blanke, kalte Zorn. Es ist schon unfassbar, eine erwachsene Frau "jüdische Schlampe" zu nennen. Wenn man das vor ihrem Kind tut, ist es noch schlimmer. Wenn man anschließend aber auch noch das Kind beschimpft und diffamiert (auch wenn sie es leise und "nur" zur Mutter sagen), dannn...dannn....solltet ihr besser beten, dass ich nicht neben euch sitze. Ich habe nämlich keine Angst davor, euch vor allen Fahrgästen in voller Lautstärke zur Rede zu stellen. (Fragt nach bei dem friedhofsblonden Tattergreis, der einmal meine Freundin, mich und danach ein Schulkind angepöbelt und als "Arschlöcher" tituliert hat, weil wir ihm im ansonsten leeren Bus nicht unsere Plätze angeboten haben. Der war nach meiner etwas lauteren Ansage auch ziemlich ruhig und diesen Idioten MAG ich im Vergleich zu euch Arschgeigen.) 

Ich frage mich gerade wirklich, was man gegen Menschen mit solchen Ansichten tun kann. Mit ihnen zu reden bringt ja offensichtlich nichts, denn wenn diese schon einmal so weit sind, dasss sie vom Namen des Kindes schon auf eine bestimmte Religionszugehörigkeit schließen (den Namen Jacob gibt es übrigens nicht nur im Judentum, aber das nur am Rande) und dann alle Angehörigen dieser Religion verunglimpft und diffamiert, dann ist jede Diskussion über Weltanschauungen hinfällig. Es stellt sich nur noch die Frage, wie man verhindern kann, dass ihre Ansichten nicht noch wie eine Seuche auf andere Menschen übergreifen und sich ausbreiten. Leider gibt es keinen leichten Weg, mit dem man das bewerkstelligen könnte. Es ist ja auch viel leichter, den Mund zu halten, wenn so etwas passiert. Trotzdem darf man in so einer Situation nicht schweigen und wenn man den Mund aufmacht, kann man vielleicht auch ein paar andere Menschen dazu bringen, das gleiche zu tun. Wir müssen aktiv gegen das Unrecht auftreten, andere darüber aufklären, wählen gehen. Ob das reicht? Ich weiß es nicht. Es muss aber getan werden.

15 Kommentare:

  1. "Ich frage mich gerade wirklich, was man gegen Menschen mit solchen Ansichten tun kann."

    Nichts. Leider. Sagt dieser desillusionierte alte Mann.

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  2. Ich weiß, dass mich das jetzt herzlos und gemein klingen lässt. aber ich zweifle (wie auch ein anderer Kommentator) die Authentizität dieser Geschichte an. Ich kann sie nicht widerlegen, habe keine weitergehenden Informationen, aber es gibt einen Punkt, an dem ich die Massierung eines Phänomens für zunehmend unwahrscheinlich halte. Es mag in Wien viele Antisemiten geben, besonders unter den alten Menschen - aber das hier liest sich, als hätte das Baby Schläfenlocken und Österreich wäre immer noch ans Reich angeschlossen.

    Ich achte mittlerweile darauf, Geschichten nicht zu glauben, weil sie meinen Erwartungen entsprechen, sondern weil sie plausibel sind. Man erinnere sich an die lesbische Kellnerin in den USA, denen ein Ehepaar wegen ihres Lebensstils das Trinkgeld verweigert hat. Das stellte sich ganz schnell als Luftnummer heraus - nachdem es wie ein Lauffeuer um die Welt gegangen war, weil es das Klischee vom bigotten amerikanischen Spießer so prima bedient hat.

    Ich versehe also meine Empörung mit einer Fußnote: ... so es denn stimmt.

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    1. Urban legends sind eine Seuche. Stimmt: beim zweiten Lesen erscheint mir das so, als könnte das hier eine sein.

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  3. Moment: "Erscheint mir das so" erscheint mir gerade etwas holprig zu sein ... Srachkünstler vor, bitte! :-)

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  4. Ich habe keine Zweifel an diesem Bericht, weil ich viel zu viele ähnlich gelagerte Geschichten kenne. Ich habe hier zum Beispiel einen Bericht zum Thema Antiziganismus in Österreich liegen. Manche der dort geschilderten Übergriffe lesen sich sehr ähnlich.

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    1. Jetzt machst Du mir nicht gerade Hoffnung ...

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    2. Mal ein paar Berichte daraus:

      "Eine Sinti-Familie kontaktierte 2011 den Verein Ketani in Linz, da die Familienmitglieder von den NachbarInnen in ihrem Haus ständig als "Zigeuner" beschimpft wurden und der Konflikt bereits zu Handgreiflichkeiten führte. Die Familie litt sehr unter den rassistischen Beschimpfungen, besonders die Großmutter, eine Überlebende der Konzentrationslager, die sich nicht mehr aus der Wohnung traute. Durch mehrere Gespräche mit der Polizei, des Vereins Ketani und der Wohnbaugenossenschaft konnte die Situation beruhigt werden."

      oder:

      "Eine Frau wollte im April 2011 in einem Wiener Spielwarengeschäft ein Spielzeug, welches sie am Vortag dort gekauft hatte, gegen ein anderes umtauschen. Trotz Vorlage der Originalrechnung wurde sie von der Verkäuferin verdächtigt, beide Spielzeuge erst aus dem Regal genommen zu haben: "Ich kenne solche wie sie". Die Kundin wollte sich daraufhin beschweren, ein Gespräch mit einem Vorgesetzten wurde ihr jedoch verweigert. Eine zweite Verkäuferin verweigerte ebenfalls, das Spielzeug umzutauschen und sagte zur Kundin: "Diese Rasse, wie sie es sind, stiehlt". Nach einem Anruf bei der Zentrale des Spielwarengeschäftes konnte die Frau erreichen, dass sie das Spielzeug umtauschen konnte. Obwohl sie der Verantwortlichen erklärte, was ihr in der Filiale passiert war, hat sich bei ihr niemand entschuldigt."

      last but not least:

      "Eine Frau berichtete im Romano Centro über folgenden Vorfall vom 15.5.2012 in der Mariahilfer Straße in Wien: Sie hatte beobachtet, wie ein Mann eine Frau zunächst verfolgte, dann an den Haaren packte und anschließend mehrmals kräftig mit der Hand bzw. Faust auf die Schultern und den oberen Rücken schlug. Dann hatte der Mann die Frau gewaltsam über die Straße in einen Hof gezerrt und in einen ebenerdig gelegenen Raum gebracht. Dabei hatte ihm ein anderer Mann geholfen, der den ersten auch aufgefordert hatte, die Frau nicht zu schlagen. Die Frau war in Begleitung von drei anderen, ebenfalls sehr jungen Frauen. Alle Frauen sprachen laut Angabe der Zeugin Romanes. Die Frau schrie und weinte vor Schmerzen. Mehrere PassantInnen verfolgten den Vorgang und folgten auch der Gruppe. Die beiden Männer schlossen die Türe, so dass die Gruppe nicht mehr sehen konnte, was in dem Raum mit der Frau weiter passierte. Wenig später erschienen 2 Streifenwagen mit insgesamt fünf Polizisten und einer Polizistin. Die Polizei nahm alle vier Frauen mit. Die Zeugin machte einen Polizisten auf die übermäßige Gewaltanwendung des Mannes gegenüber der Frau aufmerksam und bot an, dies auch zu bezeugen. Trotz mehrfach geäußerten Wunsches, den Mann wegen Körperverletzung anzuzeigen, reagierte keiner der Polizeibeamten. Später erfuhr sie, dass der Täter ein Ladendetektiv eines Drogeriegeschäftes war."


      Ganz ehrlich: Wenn ich so etwas lese, habe ich keine Zweifel daran, dass die Schilderungen von Goldmarie in ihrem Blogeintrag stimmen.

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    3. Das sieht leider so aus. Ich könnte auch mal eine Anekdote beisteuern: Eine Schülerin von mir, heute eine wunderschöne junge Frau, damals eine entzückende 16-Jährige eröffnete eines meiner Konzerte solistisch mit virtuoser Instrumentalmusik. Ganz gelassen, mit toller Ausstrahlung, wunderschön anzusehen und toll gespielt. Ein Konzertbesucher, ca. 50 Jahre alt, fragte mich nach dem Konzert, ob das eine Schülerin von mir sei. Mit gesundem Stolz über dieses Mädchen bejahte ich. Darauf er: "Das ist doch aber auch ein Triefauge, oder?" Sie hat algerische (meine ich, aber das hat sie mal beiläufig erwähnt; ihr Vater ist Ingenieur und lebt seit Jahrzehnten hier) Wurzeln, ist mehrsprachig, hat das beste Abitur-Ergebnis ihres Jahrgangs mit Bestnoten, nachdem sie während ihrer Schulzeit trotz einjährigem USA-Aufenthalts mehrere Klassen übersprungen hat, ist einfach wunderschön, war immer fröhlich, stets mitten im Gruppengeschehen und studiert jetzt, bei einem Abitur von 1,0 (!) auf Grundschullehramt. Weil sie Kinder liebt. Eine der großartigsten Personen, die ich kennen lernen durfte und als Lehrer ein wenig begleiten (davon gab und gibt es aber viele, was meinen Beruf so wunderschön macht). Was soll so etwas?! Kann man sich nicht einfach darüber freuen, dass es so tolle Menschen gibt? Sie hat schwarze Haare und dunkle Augen. Und?

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    4. Drei mal "wunderschön". Gibt Abzüge in der B-Note. :-)

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    5. Und nun stellt sich mir die Frage: Warum zweifeln manche den oben verlinkten Bericht an, wenn fast jedem bei längerem Nachdenken ähnliche Fälle einfallen? Für mich gibt es keinen Grund, an der Authentizität zu zweifeln.

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    6. Einerseits, weil man oft nicht glauben kann, was "so erzählt" wird, andererseits, weil so etwas einfach unfassbar ist.

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  5. Das sind für mich keine "ähnlichen Fälle". Antiziganismus ist gerade in Österreich ein massives Problem, aber Antisemitismus gegenüber blonden Babys - nur wegen des Namens?

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    1. Schön langsam bereue ich es, der Sache auf meinem Blog überhaupt Aufmerksamkeit geschenkt zu haben. Was man zu den Gründen, wieso die Leute diese Geschichte glauben, noch hinzufügen kann: Es gibt (mich eingeschlossen) sehr viele, die sich schlicht nicht vorstellen können, dass jemand eine so ernste Sache dafür verwenden könnte, um Aufmerksamkeit zu erregen. Ich bin bei der Geschichte immer noch unentschlossen, aber so ganz 100%ig glaube ich sie nun auch nicht mehr.

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