Mittwoch, 29. Januar 2014

Margaret von Kenneth Lonergan

Margaret (USA 2011) von Kenneth Lonergan
Als die junge Lisa (Anna Paquin) den Busfahrer Maretti (Mark Ruffalo) während der Fahrt ablenkt, geschieht ein furchtbarer Unfall: Marretti überfährt in einem unaufmerksamen Moment eine Frau, die kurz darauf in Lisas Armen stirbt. Lisa lässt sich - da sie denkt, dass Maretti es so möchte - dazu hinreißen zu lügen und sagt, dass die Frau bei rot über die Straße gelaufen sei. Auch ihre Mutter (Jean Smith-Cameron, die Frau von Kenneth Lonergan, der in Margaret wiederum Lisas Vater spielt) überredet Lisa dazu, die Lüge beizubehalten. Das schlechte Gewissen nagt mit der Zeit immer mehr an Lisa, was dazu führt, dass sie ihre Wut und ihre Frustration immer mehr an den Menschen in ihrer Umgebung auslässt, was auch ihre Lehrer (Matt Damon und Matthew Broderick) zu spüren bekommen. Als sie schließlich Emily (Jeannie Berlin), eine Freundin der Toten, kennen lernt, scheint sich das Blatt zu wenden: Lisa will der Polizei nun die Wahrheit sagen. Diese unternimmt aber nichts, da Maretti bei seiner Aussage bleibt. Als dieser sich auch nach einem Treffen mit Lisa aus ihrer Sicht weiter uneinsichtig zeigt, entschließen Lisa und Emily sich dazu, ihn zivilrechtlich zu belangen, um so dafür zu sorgen, dass er nie wieder einen Bus fährt. Dafür brauchen sie aber die Cousine der Toten, die sich vorher nie um diese gekümmert hat...



Margaret von Kenneth Lonergan
(Spoilerwarnung voraus) Ich hatte - bevor ich ihn im Geschäft meines Vertrauens entdeckte - noch nie etwas von diesem Film gehört. Das hat mich bei dieser Besetzung durchaus gewundert: Anna Paquin, Jean Reno, Matt Damon, Matthew Broderick, Mark Ruffalo und, mit Abstrichen, Kieran Culkin klingen schon sehr hochkarätig. Kenneth Lonergan hatte davor unter anderem das Drehbuch zu "Gangs of New York" geschrieben und bei "You Can Count on Me" elf Jahre zuvor Regie geführt, für den er und Laura Linney jeweils eine Oscarnominierung eingeheimst haben (und bei dem ebenfalls Mark Ruffalo und Matthew Broderick mitgespielt haben). Da ich den Inhalt auch nicht uninteressant fand, nahm ich die DVD mit nach Hause.
Um es kurz zu machen: Der Film war den Kauf durchaus wert. Die Frage, wer denn nun an dem Unfall schuld ist, kann man danach wunderbar selbst diskutieren, der Film gibt darauf keine direkte Antwort. Was nicht heißt, dass der Film sich davor drücken würde. Man muss sich nur selbst überlegen, auf wessen Seite man steht.

Großartige Schauspieler
Jede/r der oben genannten SchauspielerInnen agiert in "Margaret" in absoluter Höchstform. Das ist umso schöner, da jede noch so kleine Nebenrolle in diesem Film Möglichkeiten zur Entfaltung bietet. So würde ich mich in jedem anderen Film darüber beschweren, dass Jean Renos Rolle zu viel Platz einnimmt, aber andererseits reißt er als schleimig-antisemitischer Kolumbianer fast jede Szene an sich, in der er zu sehen ist. Das gilt auch für Matt Damon und - auch wenn ich ihm das nicht zugetraut hätte, weil ich ihn für leicht überschätzt halte - Matthew Broderick als Lehrer. Einzig Anna Paquin merkt man an, dass sie zum Zeitpunkt der Entstehung des Filmes deutlich älter als 17 war.

Zwei Mängel
Dennoch gibt es zwei (eigentlich drei) Punkte, die das positive Gesamtbild ein wenig trüben. Erstens ist der Film mit 140 Minuten um mindestens 20 Minuten zu lang. So gesehen bin ich froh, dass ich den ebenfalls existierenden 186 Minuten langen Extended Cut nicht gesehen habe und die erste Drehbuchfassung hatte schlappe 386 Seiten und 51 Sprechrollen (!). Das liegt unter anderem daran, dass man Jean Renos Part ungewöhnlich lange aufbaut, nur um ihn dann - und damit kommen wir zum zweiten Punkt - sterben zu lassen, bevor seine Geschichte eine befriedigende Auflösung erfährt. Im Prinzip "darf" er nur die Mama daten, bei einem Treffen mit Lisa und Emily ein wenig antisemitisch daherreden und dann mit einem Herzinfarkt tot umfallen. Die Zeit war zwar trotzdem nicht verschenkt (dafür ist Jean Reno einfach zu gut), man hätte aber trotzdem ein anderes Ende dafür finden, oder seine Zeit kürzen können. Letzteres wäre in meinen Augen fas die bessere Wahl, da man - und damit kommen wir zum letzten Kritikpunkt - Mark Ruffalo durchaus mehr Zeit hätte geben können. Dieser hat als Maretti eigentlich nur zwei Szenen: Den Unfall (inklusive den Geschehnissen knapp davor) und einen Dialog mit Lisa, als diese ihn besucht und er ihr durch sein Verhalten zu verstehen gibt, dass er bei sich einfach keine Schuld sieht und sie ihm bitte keine Probleme machen soll, weil er als Familienernährer sonst seinen Job verlieren würde. Aus dieser Rolle hätte man viel mehr machen müssen.

Karrierekiller Margaret
Die Hollywoodkarriere von Kenneth Lonergan hat mit "Margaret" ein abruptes Ende gefunden (zumindest wenn man Imdb.com dahingehend glauben darf). Das lag aber weniger am fertigen Produkt, sondern viel mehr daran, dass Lonergan satte vier Jahre lang - "Margaret" sollte eigentlich 2007 erscheinen - mit Fox Searchlight und Produzent Gary Gilbert um den finalen Cut des Filmes gestritten hat. Während dieser Zeit haben sich die drei Parteien alle gegenseitig verklagt, weil Fox Searchlight Gilbert klagte, da dieser nicht die vereinbarte Hälfte der Produktionskosten des Filmes bezahlt hatte. Gilbert wehrte sich, indem er Fox und Lonergan vor Gericht zerrte, da er der Meinung war, dass Fox und Lonergan die von ihm angebotene Hilfe (die Fertigstellung betreffend) rundweg abgelehnt hätten und er sich die ganze Angelegenheit wohl nicht anhängen lassen wollte. Die Geduld von Fox war auch davor schon bis zum Zerreißen angespannt, man wollte Lonergan angeblich nur deshalb nicht feuern, weil man um die eigene Reputation fürchtete. Martin Scorsese und seine Stammcutterin Thelma Schoonmaker wurden angeheuert, um die Arbeit an dem Film zu beenden, konnten den Job aber nicht bis zum Ende durchziehen, da sich die finanziellen Mittel dem Ende zuneigten. Irgendwann sprang sogar Matthew Broderick als Geldgeber ein, weil Gilbert und Fox keinen Cent mehr investieren wollten. Als "Margaret" dann nach vier Jahren endlich fertig war, gönnte Fox Searchlight dem Film nur einen sehr limitierten Release - und wurde völlig davon überrascht, dass "Margaret" von den Kritikern geliebt wurde und auf mehreren Top 10 Listen für die besten Filme 2011 landete. Lonergan hat das trotzdem nicht mehr geholfen - seit 2011 hat er kein einziges Filmprojekt mehr zu Buche stehen (Wobei man sagen muss, dass er sehr viel am Theater macht und immer wieder mehrjährige Pausen zwischen seinen Filmprojekten hatte,  also wer weiß, ob von ihm irgendwann nicht doch noch etwas kommt.)

Fazit zu Margaret
"Margaret" ist ein Film, der nicht zum "Nebenhergucken" geeignet ist. Wenn man sich auf die Handlung einlässt, lädt sie die Zuschauer aber wunderbar zum Diskutieren ein. Oh und falls jemand den Film schon einmal gesehen hat: Wer trägt denn eurer Meinung nach die Hauptschuld an dem Unfall? Der Busfahrer oder Lisa?

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